Das Kick-Off ihres Projektes ist gut gelaufen, der Projektumfang ist geklärt und die Aufgaben verteilt. Sie sind mit Ihrem Team bei der Arbeit. Ja, es gibt ein paar Abweichungen, aber nichts ernsthaftes. Sie sind der Meinung, dass das Projekt gut läuft. Doch dann werden nach kurzer Zeit Probleme spürbar, die fast aus dem Nichts zu kommen scheinen.
- Wichtige Informationen fehlen
- Manche Teammitglieder wirken wenig engagiert
- Die Unterstützung von Auftraggeber und/oder Vorgesetzten ist doch nicht ganz so, wie versprochen.
- Andere Abteilungen kooperieren nicht so, wie vereinbart
- Plötzlich dreht sich der Wind und bläst Ihnen ins Gesicht
- Gerüchte sind im Umlauf und negatives Gerede kommt Ihnen zu Ohren
Leider ist die sachliche Ebene und der Status der Aufgabenerfüllung im Projekt nur die halbe Miete. Mindestens genauso wichtig ist die Meinung ihres Umfelds. In der Praxis gibt es eine Unzahl an Projekten, die sachlich gut gelaufen sind dann den Ruf eines schlechten Projektes bekommen haben. Da war irgendein negativer Einfluss am Werk. Wie konnte das passieren?
Jemand hat das Projektumfeld vergessen. Stakeholder gehören betreut und miteinbezogen, sonst liefern Sie sich dem „Flurfunk“ aus. Das war immer schon so, ist aber in den letzten Jahrzehnten viel stärker und bedeutsamer geworden. Erinnern Sie sich an Software-Implementierungen oder Autobahnbauten von 30 oder 40 Jahren. Das wäre heute nicht mehr denkbar. Alle haben eine Meinung und äußern sie auch. Nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene, auch in Ihrem Unternehmen. Das Einzige, was Sie rettet ist eine gute, vorausschauende und angepasste Kommunikation zu und mit den richtigen Stakeholdern. Unabhängig davon, ob das nun einzelne Personen oder Organisationseinheiten sind.
Wer sind Ihre Stakeholder?
Wir brauchen Klarheit über die verschiedenen Stakeholder, ihre Interessen und ihre Einflussmöglichkeiten. Das ist die Basis für Ihre Steuerung, denn auch das Umfeld lässt sich beeinflussen.
Es beginnt mit einem Perspektivenwechsel: Wir richten unsere Aufmerksamkeit weg von den Aufgaben und einzelnen Tasks, die das Projekt zu erfüllen hat. Denn damit haben wir uns beschäftigt, das ist geplant. Wir schauen nun auf das Umfeld des Projektes: Was ist rundherum los? In welchem Beziehungsgeflecht von Interessen und Einflüssen stehen wir denn?
Ihr konkretes Umfeld an Interessen und Einflüssen entscheidet letztlich, ob Ihr Projekt erfolgreich war. Jedenfalls viel stärker als die reine Qualität der Aufgabenerfüllung. Aber nicht nur das. Vor allem bei komplexen Projekten brauchen Sie jede Unterstützung, die Sie kriegen können, um Ihre Ziele zu erreichen - und keinen Gegenwind.
Der Ausgangspunkt und die Basis für eine Steuerung der Kommunikation ist eine sorgfältige Stakeholder Analyse. Und Stakeholder können viele sein. Was ist ein Stakeholder? Ganz grob gesprochen ist es die Antwort auf die Frage "Wer aller hat irgendein Interesse an Ihrem Projekt??
- Wer aller ist beteiligt?
- Wer ist betroffen? Genauso wichtig, wer glaubt, betroffen zu sein?
- Wen gibt es sonst noch mit Einfluss: Wer ist Zaungast? Wer steht hinter einem Vorhang? Wer gewinnt oder verliert, wenn Sie erfolgreich sind?
Schritte der Stakeholderanalyse
Folgende Schritte empfehle ich Ihnen für die Grundlagen, also für die Stakeholder Analyse:
Beginnen Sie mit einem wilden Brainstorming: Sammeln Sie die Namen der Personen und Funktionen. Die ein Interesse haben könnten. Je nach Projektauftrag müssen sie auch außerhalb der eigenen Organisation blicken, Mitbewerb, Lieferanten, Kunden, Behörden, Presse, …
Wenn Sie mit dieser Liste fertig sind, fragen Sie sich „Wen gibt es noch?“ Möglicherweise stehen einige Leute hinterm Vorhang. Suchen Sie sich dazu einen Sparring-Partner. Wenn Sie das alleine machen, vergessen Sie sicher jemanden. Denken Sie daran, Sie können schon Stakeholder vergessen – aber seien Sie sich sicher, diese werden Ihnen das nicht vergessen.
Nun analysieren wir jeden einzelnen Stakeholder ganz genau und stellen das Interessensgeflecht grafisch dar. Das geht hervorragend an einer Pinwand, aber Sie können auch andere Medien verwenden, z.B. ein Blatt Papier oder PowerPoint.
- Wie groß ist der Einfluss auf das Gelingen des Projektes? Schreiben Sie den Namen auf ein rundes Stück Papier – je größer der Einfluss, desto größer die Scheibe. Wenn Sie keinen Zugang zu Moderationsmaterial haben, dann tun es auch Kreise in PowerPoint oder Geldmünzen unterschiedlicher Größe.
- Wie intensiv ist der aktuelle Kontakt zum Projekt? Zeichnen Sie Ihr Projekt ins Zentrum des Papiers und gruppieren Sie die einzelnen Stakeholder um dieses Zentrum. Je intensiver der Kontakt ist, desto näher rücken Sie den Stakeholder zum Zentrum.
- Nun brauchen wir noch die Einstellung der Stakeholder zum Projekt: Wie ist die Haltung zum Projekt? Meist reichen hier vier Kategorien: positiv, negativ, neutral, ambivalent.
Sie sehen nun das ganze Bild an Interessen, Einflüssen und Einschätzungen. Und natürlich können Sie hier noch weiter in die Tiefe gehen. Bevor wir weitergehen zu den Schlussfolgerungen für die Projektkommunikation, machen wir einen Blick auf die Stakeholderanalyse selbst. Ein paar Tipps von mir:
- Zu Projektbeginn haben Sie meist nicht allzuviel tragfähige Informationen, sondern sie sind angewiesen auf Vermutungen oder „Hören-Sagen“. Überprüfen Sie Ihre Annahmen Schritt für Schritt!
- Machen Sie diese Stakeholderanalyse regelmäßig im Projekt, z.B. vor wichtigen Phasen. Denn das Umfeld ändert sich, es ist dynamisch. Vielleicht sind manche Stakeholder weniger wichtig, dafür andere neu hinzugekommen.
- Machen Sie die Stakeholderanalyse nicht alleine! Mindestens das Kernteam oder andere Vertraute sollten dabei sein. Oder sie holen sich die externe Sicht eines Beraters hinzu.