Blog

Die Details zum neuen PRINCE2®7

Seit weinigen Tagen ist die neue Version von PRINCE2 veröffentlicht. PeopleCert spricht von großen Veränderungen und tatsächlich ist vieles anders, manches ist verschwunden und einiges ist neu hinzugekommen. Prince2 ist weiterhin Prince2, es ist aber sehr vieles anders.

Einen ersten Überblick über die Neuerungen habe ich in einem anderen Artikel bereits gegeben, hier beschäftige ich mich mit den Details. Bei der Beschreibung dieser Details werde ich die englischen Fachbegriffe verwenden, denn die deutsche Sprachversion wird erst Anfang 2024 erscheinen. Ich möchte dem nicht vorgreifen und möglicherweise falschen Begriffe einführen.

Es gibt gute Nachrichten: PRINCE2 7 konzentriert sich stärker auf den Kern von Projektmanagement, wird weniger streng, dafür aber flexibler und besser verständlich. Ich kenne jetzt drei Versionen von Prince2, die 5. Auflage, die 6. Auflage und nun Nr 7. Die letzte Version ist die Beste. Obwohl auch neue Themen hinzukommen ist das offizielle Buch etwa 15% schlanker. Die aktuelle englische Version hat nur noch 342 Seiten.

In der Beschreibung der Methode werde ich mich nicht Kapitel für Kapitel durcharbeiten, das tue ich Ihnen nicht an. Aber ich werde die Änderungen und Neuerungen in etwa in der Reihenfolge beschreiben, wie sie auch im Buch erscheinen. Das gibt Ihnen gleich einen Einblick in die Struktur.

Sustainability als siebente Variable der Projektleistung

Ich habe es in den bisherigen Versionen sehr geschätzt, dass Prince nicht von angeblich drei magischen Elementen spricht, sondern sechs Variablen der Projektleistung im Blick hat: Nutzen, Kosten, Zeit, Qualität, und Umfang. All diese Variablen haben Zielwerte und können Toleranzen ausweisen.

Nun kommt ein siebentes Element hinzu: Sustainability. Alle Projekte haben gewollte oder ungewollte Auswirkungen auf ihr Umfeld. Also sollen den Projekten die Sustainability Performance Targets ihrer Tätigkeit und ihrer Produkte bekannt sein.

Als allgemeiner Orientierungsrahmen dienen Prince2 hier die 17 UN sustainable performance targets. Konkret sind es dann natürlich die Nachhaltigkeitsziele und das Nachhaltigkeitsengagement der Organisation, die das Projekt sponsort, die die Ziele für das Projekt bestimmen.

Um die Bedingungen, Herangehensweisen und Methoden für das Projekt festzulegen, sieht Prince2, wie bei anderen Themen auch, ein Policy Dokument vor: der Sustainability Management Approach ist Teil der Projektleitdokumentation. Die konkreten Sustaininability-Ziele inklusive möglicher Toleranzen werden darüberhinaus im Business Case dokumentiert.

Fünf integrierte Elemente

Weitere Neuerungen erwarten uns bei den integrierten Elementen von Prince2. Abgesehen davon, dass sich die Namen ändern, kommt zu den bisherigen vier Elementen das Element „People“ neu hinzu. Und ein bekanntes Element wird in völlig anderer Weise aufbereitet:

  • Die sieben Principles (Grundprinzipien), die ja die Basis der Methode ausmachen, sind nach wie vor eines der integrierten Elemente.
  • Die sieben Practices (vormals Themen) beschreiben nach wie vor die sieben zentralen Disziplinen, die im Projekt gesteuert werden sollen. Hier gibt es deutliche Änderungen.
  • Die sieben Prozesse beschreiben nach wie vor die nötigen Aktivitäten im Lebenszyklus eines Projektes. Hier gibt es die geringsten Änderungen.
  • Das Element Project Context (vormals Tailoring) ist nach wie vor ein Kernelement und eine Stärke von Prince2. Die Behandlung und Beschreibung im Buch ist völlig anders und viel verständlicher.
  • Völlig neu ist das fünfte integrierte Element "People". Es wird ganz prominent positioniert, das sehen wir uns genauer an.

Principles

Die Beschreibung der Principles ist viel umfangreicher und genauer als bisher. Das hat schon seine Richtigkeit, denn Prince2 verzichtet nun auf bestimmte Regeln, wie der strenge und wenig hilfreichen Ansatz der „Mindestanforderungen“ bei den einzelnen Themen. Prince2 setzt jetzt mehr auf Hinweise und Empfehlungen, denn auf Vorschriften. Da müssen eben die Prinzipien klarer sein, da sie ja die Grundlage und Orientierung für die gesamte Methoden darstellen.

Die Namen der Principles haben sich teilweise geändert, sie bringen jetzt mehr zum Ausdruck, dass es hier etwas aktiv zu tun gibt:

  • Ensure continued business justification.
  • Learn from experience
  • Define roles, responsibilities and relationships
  • Manage by exception
  • Manage by stages
  • Focus on products
  • Tailor to suit the project

People

Die Erkenntnis, dass die Menschen im Projekt und in seinem Umfeld ganz entscheidend für den Erfolg sind, trägt Price2 jetzt dadurch Rechnung, dass „People“ als eigenes integriertes Element eingeführt wird.

Bisher war Prince2 hier sehr sparsam. Im bisherigen Thema Organisation war schon etwas dazu zu finden, aber grundsätzlich hat sich Prince2 von Themen wie Führung, Motivation und Soft Skills fern gehalten. Völlig zu Recht, wie ich finde, denn wollen sie etwa bei einer universellen und generischen Methode einen bestimmten Führungsstil verordnen, der nur in einem Teil der Welt akzeptiert wird? Oder etwa veraltete Führungstheorien vorstellen und abprüfen?

Wie das Element People jetzt umgesetzt ist, vermeidet es glücklicherweise diese Fallen. Projektmanagement ist immer ein ganz deutlich soziales Geschehen, da wir ja Verhalten von Personen beeinflussen und koordinieren wollen. Es gelingt Prince2 gut, wichtige Aspekte und Herausforderungen klar zu benennen und Handlungsmöglichkeiten vorzuschlagen.

Das Element People bekommt ein eigens Kapitel im Buch und ist in den Kapiteln der anderen Elemente – Principles, Practices, Processes und Project Context – mit Überlegungen und Hinweisen stark präsent. Nach grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Organisation und Projekt sind es drei inhaltliche Schwerpunkte, die das People-Kapitel ausmachen:

  1. Im Abschnitt „Leading successful change“ steht die Veränderung, die Projekte in Organisationen bewirken, im Zentrum. Dabei ist es unerheblich, ob diese Veränderungen vom Projekt gewollt sind, oder ob sie „nebenbei“ geschehen. Jedes Projekt, auch das für einen externen Kunden, bringt immer Veränderung mit sich. Prince2 konzentriert sich auf Themen wie Stakeholder oder Unternehmens- und Projektkultur, die für das planvolle Change Management zentral sind.
  2. Der Abschnitt „Leading successful teams“ blickt nach innen, ins soziale Geschehen Projekt hinein. Ohne eine bestimmte Ansätze zu forcieren, bringt Prince2 die Herausforderungen und besonderen Bedingungen der arbeit in und mit Teams auf den Tisch und beschreibt Instrumente und Möglichkeiten, mit den Herausforderungen umzugehen. Mich freut besonders, dass auch die Auflösung von Projektteams angesprochen wird. Das ist eine Herausforderung, die viele vergessen.
  3. In dieses Kapitel wandert auch der bereits bekannte „Communication Management Approach“ mit der Analyse der Stakeholder, den unterschiedlichen Informationsbedarfen und Kommunikationsmittel.

Project Context

Tailoring ist ein alter Begleiter von Prince2. In der 6. Auflage war Tailoring nicht nur Grundprinzip, sondern auch ein integriertes Element. Das bleibt auch so, die Aufbereitung und Vermittlung ist nur eine völlig andere.

Als integriertes Element heißt Tailoring nun „Project Context“ und fällt zu allererst dadurch auf, dass es gar kein eigenes Kapitel mehr im Buch gibt. Und es fehlt noch etwas: Erinnern sie sich bitte mit mir an diese wirklich lästigen Mindestanforderungen bei den einzelnen Themenkapiteln. Sie waren einerseits „eh klar“, wurden aber im Examen abgeprüft. Man musste sie als trockene Materie auswendig lernen. Das ist vorbei.

Stattdessen ist das Element Project Context ganz massiv in den anderen Kapiteln mit Hinweisen, Empfehlungen und Beispielen präsent. Um es vorwegzunehmen, auch das ist gelungen. Prince2 7 hat zwei wichtige Instrumente vorgesehen, an denen immer wieder Themen der Anpassung an das Projekt beschrieben und auch als konkrete Beispiele gezeigt werden.

Fünf Projektkontexte

Um zu zeigen, wie Prince2 angewendet und an unterschiedliche Situationen angepasst werden kann, werden fünf Projektkontexte beschrieben und in den einzelnen Practices-Kapiteln näher beleuchtet. Manche dieser Kontexte kennen wir schon aus der 6. Auflage, nun werden sie aber wichtiger.

  • „Organization Context“ diskutiert mögliche Verankerungen von Projekten in der Organisation, als Teil eines Programms, als Teil eines Portfolios und als stand-alone Projekt.
  • „Commercial Context“ kümmert sich um die Herausforderungen von Kunden-Lieferanten Beziehungen und den Umgang mit den Vertragsgestaltungen.
  • „Delivery Method“ geht auf die nötigen Anpassungen an drei verschiedene Lieferansätze ein: Linear, Iterativ und Hybrid.
  • „Sustainability Context“ beschreibt die Herausforderungen in der Anpassung an Nachhaltigkeitsziele der Organisation.
  • „Scale“ konzentriert sich auf die Anpassung der Methode an Projekte unterschiedlicher Größe und/oder Komplexität.

Vier Szenarien

Vollkommen neu sind vier konkrete Projektszenarien mit klingenden Firmennamen, wie Data Knowledge, Luistown City Council, Findef und NowByou. In den vier Szenarien werden Informationen zum jeweiligen Unternehmen, zum konkreten Projekt und zu den aktuellen Herausforderungen in Organisation und Projekt gegeben. Die Projekte der verschiedenen Szenarien unterscheiden sich in Größe, Komplexität, und auch in den Lieferansätzen.

Im gesamten Buch an unterschiedlichen Stellen werden diese Szenarien dazu genutzt, um als konkrete Beispiele die Anwendung und Anpassung der Prince2 Methode zu zeigen. So wird die Theorie griffiger.

Exakt dieselben vier Szenarien werden auch bei der Practitioner Prüfung verwendet. Eines dieser Szenarien wird dabei als Grundlage für die Fragen herangezogen. Sie kennen also das Szenario, das zur Prüfung kommt, schon – nur die Fragen nicht.

Prince2 7 ist noch agiler

Prince2 7 geht genauer auf drei verschiedene Lieferansätze ein, den linear-sequentiellen (Wasserfall), den iterativ-inkrementellen (Agil) und den hybriden Ansatz. Ein über weite Teile ähnliches Verständnis von Prinzipien und der Fokus von Prince2 auf das reine Management von Projekten erlaubt eine gute Integration agiler Lieferansätze.

Das war auch schon mit der 6. Auflage möglich: Vor Jahren schon hat milestone mit Kunden auf der Basis der 6. Auflage von PRINCE2 das Framework SCRUMFRAME entwickelt, das die Steuerung von Prince2-Projekten mit SCRUM als Lieferansatz ermöglicht. In der heutigen Form wurde es zuerst im Mai 2021 im Projektmagazin publiziert. Das hat sehr gut funktioniert, aber wir mussten deutlich in PRINCE2 eingreifen. Damals habe ich vorgesehen, den Business Case in der Form von Szenarien (must have – should have – could have) zu beschreiben. Dem Worst Case, dem „must have“, sollte die Projektproduktbeschreibung des Minimal Viable Product zugunde liegen. Genau das tut Prince2 7 jetzt. Das freut mich, zeigt aber auch, wie sehr sich Prince2 nun agilen Ansätzen zuwendet.

Practices

Die bekannten sieben Themen heißen jetzt anders: Sie werden jetzt zu „Practices“. Das geht schon in Ordnung, es gab in den Seminaren häufig Fragen, warum diese Dinge gerade Themen heißen. Das ist jedoch nicht die wirklich große Veränderung, die wirklichen Neuerungen gehen tiefer.

Ich habe ja schon erwähnt, dass Prince2 deutlich freundlicher geworden ist. Anstatt auf Vorschriften setzt man nun mehr auf Hinweise und Vorschläge. Habe ich schon erwähnt, dass die unbeliebten Mindestanforderungen, die man für die Foundation Prüfung stur auswendig lernen musste, verschwunden sind? Ja, sie sind weg. Dies gesamte Struktur der Practices-Kapitel sind verändert und tragen in der neuen Form viel mehr zum Verständnis der Methode bei, als die trockenen Mindestanforderungen.

Jedes Practices-Kapitel hat nun folgende Abschnitte, die insgesamt einen besseren Überblick und ein Verständnis für die Beziehungen zu den anderen integrierten Elementen bringen:

  1. Der „Purpose“ der Practice beschreibt den jeweiligen Sinn und die Aufgabe.
  2. Die „Guidance for …“ gibt recht knappe Anleitungen, wie die Practice gebraucht werden sollte.
  3. „Techniques“ stellen die Prince2-speziellen Verfahren und Techniken vor
  4. „Supporting Techniques“ beschreiben weitere Methoden, die für die jeweilige Practice hilfreich sein können
  5. „Applying the practice“ geht auf die Besonderheiten der fünf Projektkontexte ein.
  6. „Management Products“ zeigt die wichtigen Dokumente zu dieser Practice,
  7. „Focus of key roles“ fasst die jeweiligen Verantwortlichkeiten übersichtlich zusammen.
  8. „Relationships with principles“ zeigt die wichtigsten Beziehungen zwischen der Practice und den sieben Priciples.

Die Veränderung in der Struktur der Kapitel bringt sowohl bekannte, als auch neue Inhalte, wie Beispiele aus den vier Szenarios, Konkretisierungen und die „Supporting Techniques“. Darüberhinaus gibt es Änderungen von Bezeichnungen.

Die auffälligsten Änderungen in einzelnen Practices sind:

  • Die Rolle „Change Authority“ fällt nun aus der Practice „Organizing“ (vormals Organization) heraus und wandert als spezielle Rolle ganz zur Practice „Issues“ (vormals Change).
  • Die Practice Issues bringt das bekannte Änderungssteuerungsverfahren, aber vor allem eine ungeheure Erleichterung: Das gesamte Konfigurationsmanagement mit den schrecklichen Dokumenten „Konfiguration Item Record“ und „Product Status Account“ fällt weg. Es bleibt ein harmloses Product Register.
  • In der Practice „Progress“ finden wir nun auch Techniken wie das burn-down-chart oder das Kanban Board.
  • In dieser Practice, dem Progress, finden wir aber auch eine inhaltliche Neuerung: Der gestiegenen Bedeutung digitalen Arbeitens und der steigenden Bedeutung des Managements digitaler Daten begegnet Prince2 dadurch, dass es von jedem Projekt, verlangt, sich über das Erfassen, Verwalten, Analysieren und Nutzen digitaler Daten im Projekt klar zu werden. Die entsprechende Policy soll im Mangementprodukt Digital and Data Management Approach festgehalten werden.

Processes

Im Bereich der Prozesse gibt es am wenigsten Änderungen. Die Prozesse haben dieselben Namen, dieselbe Anzahl und die drei bekannten Ebene mit den jeweiligen Verantwortlichkeiten für bestimmte Prozesse. In den Kapiteln über die sieben Prozesse merkt man noch etwas die alte Strenge von Prince2. Nur die Graphiken sind etwas moderner und vor allem bunter.

Innerhalb der einzelnen sieben Prozesse gibt es allerdings Änderungen. Die meisten davon sind Kleinigkeiten, die ein oder andere Bezeichnung ändert sich. Und jeder Prozess hat eine Aktivität mehr, obwohl diese Aktivität schon in der 6. Auflage existiert hat, jetzt aber „offiziell“ ist: Das Senden des jeweiligen Prozess-Outputs, z.B. „Request Project Initiation“, an das Project Board bzw. den Project Manager als Aktivität im Prozess definiert.

Vor allem im Prozess „Initiating a Project“ fallen einige Aktivitäten weg. Das ist eher kosmetischer Natur. Es werden ja alle Management Approaches nicht mehr als eigene Managementprodukte geführt, sondern in die Projektleitdokumentation integriert. Und nachdem auch alle Register und Logs in nur einem Project Log zusammengeführt werden, braucht es auch die einzelnen Aktivitäten zu den Management Approaches nicht mehr.

Im neuen Aufbau der Prozess-Kapitel ist hilfreich, dass es nun nur noch eine Tabelle mit den Verantwortlichkeiten gibt, die alle Aktivitäten des Prozesses umfasst. Das ist übersichtlicher als bisher.

Also ...

Alles in Allem sind die Neuerungen in PRINCE2 7 inhaltlich ein guter und spannender Schritt in die Zukunft, PRINCE2 ist noch besser geworden.  Und gemeinsam mit der deutlich verbesserten Aufbereitung dieser Inhalte ist Prince2 nun freundlicher, flexibler und leichter verständlich.